Die Messe, der Markt- ART KARLSRUHE
Aufzeichnungen nach einem Auftritt der Kunsthalle Altdorf auf der Art Karlsruhe 2005, gesponsert von Dr. Jürgen Zipfel und den Künstlern.
Irgendwie ist so eine Messe etwas ganz unmodernes - wer geht schon noch persönlich von seinem Bildschirm weg und läuft kilometerweit an analogen Phänomenen wie Kunstwerken entlang. Fußmüde und völlig überfordert. Sie haben angestrengte Augen, die Besucher. Sie suchen auf den Büchertischen nach schriftlichen Erklärungen und etwas zum Festhalten, Mitnehmen, Merken. Postkarten, Flyer, Kataloge, am liebsten umsonst, denn sie haben 12 Euro Eintritt bezahlt. Solch einen Service biete ich nicht, Renate schon.
Nächstes Mal mache ich das auch. Zwei Tage danach bin ich immer noch benommen, von dem mäandernden Menschenstrom am Ufer der Kunst.
Handel und Wandel, die Ware und die wahre Kunst.
Aufbau am Tag davor,
Twan Schutten, Halina Jaworski, Marianne Pohl, Marita Klaerding, Armin Pangerl
Für einen Markt ist die Art Karlsruhe schön: das Dach der Messehalle hoch und elegant gewölbt, die Gänge angenehm breit, das Tageslicht in den Morgenstunden geradezu spirituell. Schöne Kunst habe ich gesehen, feine Zeichnungen und Aquarelle von großer Klarheit, gehäkelte Hasen, papierene Gegenstände, tierische Schuhobjekte, perfekte Frauenbüsten aus unbekanntem Material, ferner Antes, Meistermann, Uecker, Rainer, Wachter, Kögler, Kitzel, die alten noch flott dabei. Picasso. Braque. Dix. Epigonen von Epigonen, das Gedächtnis der Rezipienten ist nur so alt wie sie selber. Wer von den Jungen kann wissen, wie oft es schon diese und jene Art gegeben hat und wer der erste war?
Ich stand im Ichstand und das ist besonders hart - zur Galeristentätigkeit kommt noch der Abrieb der Seele : Ce n’est pas comme l’original. Natürlich nicht, meine Serie ‚Vermeert“ mit 21 Variationen des Mädchens mit dem Perlohrring, eins davon Größe XL, ist nicht entstanden, um dem Unvergleichlichen zu gleichen. Sondern aus Begehrlichkeit und Liebe... etwas von dem Liebreiz zu erhaschen, dem Augenblick. Das Blau des Kopfputzes, das Lächeln, bevor es eins ist.
Als Kunsthalle Altdorf betreiben mein Mann Yoshiyuki Kakedo und ich freiwillig die ehrenamtliche Kunstvermittlung Ortenau Süd mit vier Einzelausstellungen im Jahr. Wir haben die ehemalige Synagoge von Altdorf renoviert. Ein Raum auf Holzpfosten, gebaut 1868 nach den Regeln des goldenen Schnitts, 160 qm Grundfläche. Deckenhöhe auf 340 cm beglichen, der ursprüngliche Raum war in der Mitte doppelt so hoch gewesen. Yoshiyuki hat für jedes der 9 Fenster Shojis aus Papier konstruiert, sodass der Garten und die Dorfstrasse nicht den Blick auf die Kunst stören.
Nun also auf der Art , und ich als Galeristin im Crash-Kurs.
Wer kauft ? Da gibt es keine Regel. Es kauft spontan nur der Profi, oder der lover, der sich in ein Kunstwerk leidenschaftlich verliebt, sodass er es sofort haben will. Von dem wir Künstler träumen. Und auch w i r Galeristen...
Es gibt sie, die Liebhaber, und wenn unsere Republik nicht kulturell so gottverdammt zugeschnürt wäre von Pleitenangst und Arbeitslosigkeitstrauma, Europhobien und Sparorgien in Bezug auf die Kunst , dann gäbe es viel mehr davon, und im Ausland würde es bewundernd heißen , das Volk der Kunstsammler, Dichter und Denker.
Mein Stand liegt zentral, meine Künstler sind da, sie vertreten sich alleine. Es sind alles Profis, und ich bin stolz und froh. Wir haben die Bandbreite von Malerei, Fotokunst, politischer und internationaler Kunst, fast alles neue Arbeiten. Die Frage anfangs war, wollen wir oder nicht. Uns hier präsentieren, die Künstler im Eigenrisiko, auf eigene Verantwortung.
Während der Öffnungszeiten:
Private Gespräche sind auf Dauer anstrengend, Bekannte und Freunde sogar. Man hat die Sensoren ausgefahren, hinten die Augen, seitlich wie ein Chamäleon, das gleich seine Fangzunge herausschleudert. Ich war höchst motiviert, zu verkaufen und dachte, ich könne das einfach so. So einfach nicht, habe ich gelernt. Man spricht mit leiser Stimme, wenn überhaupt. Zeit geben, schweigen und Exklusivität verbreiten,
d a s ist eine gute Galeristin.
Empfindlichkeiten zwischen uns. Keiner kann überall gleichzeitig sein, ich gehe immer die selben Wege, und habe drei Kojen und eine Außenwand im Auge. Abwechselnd. Ich möchte feedback und gleichzeitig den Überblick. Schwierig.
Twan Schutten, Halina Jaworski
Twans schwebender Heiliger vor der Basilika- eine Familie, Vater Mutter zwei Kinder, 10,12 Jahre, beim Enträtseln. Guck mal, das ist eine Kirche. Und ein Mann. Was macht der. Er fliegt. Ein Bild das zunächst abstrakt erscheint und bei längerer Betrachtung Geschichten erzählt wie mittelalterliche Malerei.
Sigrids Frauenkörper ohne Kopf, warum so? Ich sage, der Körper allein ist der Ausdruck, wie ein Gesicht. Ein alter und ein junger Frauenkörper, „es ist positiv und voll Kraft“ sagt eine junge Frau. Bernds Fotos, einige kommen mehrmals, bringen andere mit, Kunststudenten und ältere, Wiedererkennung: So hat der damals ausgesehen, der Uecker, der Richter, der Polke.
Ulrich Fürneisens Zeichnung nach der Natur, Kommentar eines jungen Mannes: Das ist das Beste, was ich heute gesehen habe, aber das ist m e i n Geschmack.
Bei Yoshi rauscht 3 mal pro Tag eine Führung durch, wie lange haben Sie daran gearbeitet? Täglich werden Hunderte von Fotos geschossen, Damen knien vor dem Objekt „Clear Mandala“ um hindurch zu fotografieren.
Bernd Jansen , Halina Jaworski , Twan Schutten , Michel Sauer, Marita Klaerding, Marianne Pohl, Ulrich Fürneisen, Eva-Maria Schön, Armin Pangerl, Sigrid Redhardt, Alain Ligièr und Eva Linder sind die Stars unserer Kunsthalle, gehängt und gestellt auf 25 qm und 9 x 3 Metern Außenwand.
Ilse Teipelke
Dazu sieben ‚One-Person-Shows von Ilse Teipelke, Otte Mark, Karin Kieltsch, Holger Mühlenbeck, Yoshiyuki Kakedo und Renate Olbricht. Und ich. Zusammen 200 qm.
Statement vom 3. Mai, zwei Monate danach. Es war zu groß und es war zuviel, was da unter Kunsthalle Altdorf lief. Ich habe es geschafft, tatsächlich nichts zu verkaufen von all den Herrlichkeiten. Mein Respekt vor Galeristen ist enorm gewachsen und ich bin froh, wieder malen zu können.
Iw 05