Isolde Wawrin0
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PS1 New York 1981

 Das Ps1 ist vierzig geworden

Ergänzung

Ein Artikel in der FAZ berichtet über die „tollste Ruine des 20.Jhds“, das Ps1 in New York, Queens.  Zwei  Fotos:   Alanna Heiss, die ich seit 1981 nicht mehr gesehen habe und  die Künstlerin Colette als „Wiedergängerin ihrer selbst“. Eine Ausstellung von 40 Künstlern huldigt der Geschichte dieses Gebäudes, das 1976 von Alanna Heiss entdeckt und für Kunst umorganisiert wurde. Klaus Rinke war dabei, als die erste Besichtigung der Primary school 1 stattfand. Denn das ps1 war ab 1979 in Verbindung mit dem Clocktower auch ein Refugium für Stipendiaten aus Europa, und das sollte doch zumindest erwähnt werden. As a fan and former inhabitant of a studio und Zeitzeugin möchte ich mich daher zu Wort melden.

 

Diese riesige erste Grundschule von long island city, deren Betrieb 1960 wegen Schülermangels eingestellt worden war,  wurde so vor dem Abriss bewahrt und von Alanna Heiss zum ‚institute for art and urban ressources, Inc.‘ erklärt. Aus den Klassenräumen entstanden Ateliers für Kunst-stipendiaten aus New York,  Amsterdam, Paris, Düsseldorf und Berlin. Es gab das ‚exhibition auditorium‘, ein sagenhafter Ort nicht nur für bildende Kunst sondern auch für modern dance und minimal music.

Ich war eine der Glücklichen, die 1981 für 6 Monate ein großes Atelier beziehen durfte, room 201, das zuvor die Bildhauerin Inge Mahn bekommen hatte. Der Düsseldorfer Minimalkünstler Imre Kocsis hatte den Saal komplett renoviert und weiß gestrichen an uns Nachfolgerinnen weitergegeben. Viele andere Ateliers waren bei weitem nicht in so gutem Zustand-  denn das Gebäude hatte jahrelang leer gestanden, die Holzfußböden und Wände waren zum Teil marode, Putz blätterte, da und dort waren Löcher im Gemäuer oder Fußboden .

Da es verboten war, dort zu wohnen, musste man sich etwas einfallen lassen, um zu überleben- das Stipendium beinhaltete das Atelier für 6 Monate, den Flug hin und zurück, und 2000 DM. Wie konnte man sich da noch zusätzlich eine Wohnung leisten oder ein Zimmer. ( die Berliner Stipendiaten waren  finanziell besser gestellt ).

Mit andern Worten, die meisten Künstler wohnten auch dort. Ich ging morgens durch den Keller aus dem Hinterausgang hinaus, um das Gebäude herum und vorne wieder rein, an der Rezeption vorbei mit einem lauten good morning . Höchstwahrscheinlich wussten die Leute von Alannas staff sowieso Bescheid.

 

 

Zum Schlafen hatte ich eine 5 cm dicke Matte von Inge geerbt, die ich bequem tagsüber zusammenrollen konnte und hinter einer vorgezogenen Wand verstauen, ebenso einen Kocher, bestehend aus einer Heizspirale, was elend lang dauerte, bis etwas gar war, sodass ich wieder auf das ökologisch einwandfreie Prinzip der Kochkiste kam, indem ich den heissen Blechtopf mit Handtüchern umwickelte, bis der Reis, die Kartoffeln oder die Nudeln weich waren, und parallel briet ich was in der Blechpfanne. Die Lebensmittel kaufte ich im nahen keyfood store, oder in chinatown, wenn ich in der Stadt unterwegs war. Da der einzige Kühlschrank auf der 3. Etage stand, gab es keine Resteverwertung , Milchprodukte waren gestrichen, statt dessen verlegte ich mich auf Trockenobst, Quaker-oats,  Nüsse und dergleichen, denn Lebensmittel vergammelten in der Hitze oder wurden von den Hausmäusen ruckzuck geklaut oder angenagt. Es gab einen Haken an der Decke, daran hing an einer Schnur das Netz mit allem Essbaren. Nachts galoppierten die kleinen Nager an meinem Ohr vorbei.

 

New york war in den 1980er Jahren eine aufregende Stadt der Gegensätze, hell und dunkel, groß und klein, arm und reich, und alles extrem. Ich habe die dickste Frau meines Lebens gesehen und auch die dünnste, die größten Katzen, den größten Müll und den irrsten Schmuck, die schönsten Möbel, die schrägsten Klamotten, auch sehr elegant gekleidete Menschen.  Dazu kommt, dass diese wundervolle Stadt im Stil von Art Deco erbaut ist, der amerikanischen Variante- man denke nur an das Empire State oder das Kreisler building, monumental und very sophisticated.

 

Und dann die Museen, halleluja! Im Metropolitan trieb ich mich tagelang herum, die ägyptische Abteilung, die griechisch kretische, die sumerische, aber auch die amerikanischen Gemälde aus dem 18.und 19. Jahrhundert, Landschaften und Szenerien, Portraits der Reichen, so anders als in Europa, faszinierten mich, denn es war das Buch Amerika, das dort aufgeschlagen an der Wand hing. Im Moma war ‚the best of‘  der Moderne, Werke, die man noch nie live gesehen hatte. Im Guggenheim  war die Vorstellung schön, einmal mit roller-blades die große Spirale runter zu brettern.

Im ‚pearls paint‘ auf der Canal Street, bekam ich alles, was ich brauchte-  Farben, Gesso, Glue, Drop Paper, 12x8 feet große Formate, die eigentlich als Anstreichhilfe gedacht waren, um Fußböden abzudecken, darauf malte ich meine großen Zeichnungen. Man konnte sie als Leporello zusammenfalten und im Flieger mitnehmen, denn in Düsseldorf gab es parallel die Ausstellung  ‚Treibhaus‘ im Kunstmuseum, an der ich beteiligt war. Es gibt einen Brief an Dr.Stephan von Wiese, dem damaligen Kurator und Chef des Kunstmuseums Ehrenhof, der Texte und Fotos für den Katalog brauchte.  Den Brief hat er kurzerhand als meinen Textbeitrag in den Katalog von „Treibhaus“ genommen.(siehe Anhang)

 

Für mich ist das ps1 die schönste Zeit meines Lebens gewesen, die Stadt New York –und noch dazu ein großes Atelier zum Malen –  Alanna Heiss , Klaus Rinke und den Sponsoren aus Düsseldorf, danke dafür.

Name dropping: in der Zeit meines Aufenthaltes haben dort gewirkt: Imre Kocsis, Inge Mahn, Monika Baumgartl, Bernd Jansen , Theo Kuypers, Andreas Brüning, Richard Monnier, Harald Klingelhöller, Wendy Knox-Leet, Stefan Huber, James Turrell, Ralf Johannes, Alan Saret, Merrill Wagner, Doug Wheeler, Wolfgang Luy, Johannes Lenhart, Barbara Quandt, Gert Rohling, Brigitta Rohrbach, Klaus Jung , doch das sind längst nicht alle.

Heute ist das Ps1 ein Museum geworden, Teil des MOMA, als ich 2010 dort war, fand ich „mein“ studio unterteilt in zwei  Ausstellungsräume. Aber der Geruch in den Fluren ist noch der gleiche.

25.07.2016 IW

 

i.w. opening April 26, 1-6 pm, room 201, 1981

 

Anhang:

Lieber Stephan

.. ich fotografiere also doch schnell meine arbeiten, für den katalog, sitze auf dem weißen dielenfußboden meines studios, was für einen text soll ich denn schicken, gestern wieder in der dan lynch bar auf der 14. Strasse second avenue beim blues versumpft, dafür sehe ich heute aus wie 57, new york nightlife.

Heute in der mittagshitze durch queens getigert, pflanzen fotografiert, am rand der parkplätze, im aufgerissenen strassenpflaster, zwischen müll und beton und pisse und scherben und beer cans und colabüchsen und so weiter, der frühling dampft aus allen ritzen, das licht ist so hell, dass mir die tränen kommen, ich knie auf dem trottoir, klettere über zäune und drähte, hänge über den gittern der subwayschächte, streiche um die stahlpfeiler der queensborough bridge und fotografiere einfach alles, was wächst, natur, natur, bin ich meschugge, dass ich sie in dieser stadt suche? Finde?

Stadtpflanzen haben mehr power als das ganze world trade center, sie kommen aus dem beton heraus mit solch einer kraft, winden sich aus den dunkelsten ecken, entfalten sich inmitten von junk food und budweiser, zwischen rost und dust, und leben und leuchten, dass es mich umhaut.

Ich werfe meine hühnerschenkel in die pfanne, (ich meine die vom keyfood store für 99cent) von manhattan rüber scheinen die häuserfronten pinkrot in der abendsonne, alpenglühen, wie inge so richtig sagte. Worüber soll ich denn schreiben hier, wo ich nicht einmal weiß, was ich denke. Die eindrücke kommen im staccato, hinter über und nebeneinander, soviel hirn hat der mensch nicht.

Die hühnerschenkel kriegen langsam eine orangefarbene kruste, sieht ziemlich gefährlich aus, zwiebeln, paprikaschoten, zucchini jede menge knoblauch kleine ovale tomaten salz und pfeffer, deckel drauf.

Ich bin ein subway fan, ein people watcher, ich glotze mir nochmal die augen aus dem kopf.  All diese leute, all diese different people, all these different coloured shaped sized dressed conditioned styled behaving people.. unter der stadt durch in rappelnden waggons, fortysecond street, change to d, b and 7 train, fiftiest street next. Rumms, neue gesichter, donner, dröhn, licht an licht aus, small talk manchmal, und ich sitze und glotze und träume und verliebe mich für 2 minuten, bestaune die schwarzen langhalsigen ftatate-etas in zöpfchenfrisuten mit runden ohrgehängen und schrägen augen, bis mir einfällt, den mund wieder zu zumachen, und oh, those daddies and sonnies, jeesus…

Mit der arbeit habe ich keine probleme, grosser raum, neue materialien zum ausprobieren, zeit. Mein erstes objekt, gross wie ein boot, ein paar kilo new york times, anderthalb gallons wheat paste, farbe. Bei der grossen zeichnung ist mir so ein coyote dazwischengekommen, reichlich naturalistisch, warum nicht, dies hier ist indianerland. Da habe ich auch den reiher und das rabbit stehen lassen. Nur schade, dass lone wolf und rolling thunder noch nicht hier aufgetaucht sind. Davon träum ich höchstens, wenn ich total bekifft in coney island auf den felsen sitze und aufs meer starre.

 

Aber ich habe zeit, wie gesagt                                    Mein huhn ist gar, viele grüsse aus new york,